EuGH: Sonderweg Schleswig-Holsteins hat keinen Einfluss auf den Glücksspielstaatsvertrag

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Am Mittwoch gab der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ein Urteil im Fall Digibet und Albers bekannt. Der Fall befasste sich mit der Frage, ob das erfolgreich eingeführte offene Lizenzsystem für Betreiber von Online-Glücksspielen in Schleswig-Holstein gleichzeitig mit dem äußerst restriktiven von den restlichen Ländern gemeinsam verabschiedeten Glücksspielstaatsvertrag bestehen darf. Der EuGH entschied nun: Die vom Land Schleswig-Holstein vorübergehend verfolgte liberalere Glücksspielpolitik stellt die Kohärenz der strikteren Politik der übrigen deutschen Länder nicht in Frage.

Im Land Schleswig-Holstein waren die „Veranstaltung und die Vermittlung von Glücksspielen im Internet“ vom 1. Januar 2012 bis zum 8. Februar 2013 erlaubt. Diese Lizenz wurde unter bestimmten objektiven Voraussetzungen jeder Person in der Union erteilt. In dieser Zeit erlaubte Schleswig-Holstein auch die Werbung für Glücksspiele im Fernsehen und im Internet. Die liberalere Regelung von Schleswig-Holstein ist zwar mittlerweile aufgehoben worden, doch gelten die den Anbietern von Glücksspielen im Internet erteilten Genehmigungen während einer Übergangszeit von mehreren Jahren fort. Anbieter Digibet bietet Glücksspiele aufgrund einer von den Behörden von Gibraltar erteilten Lizenz an. Die Westdeutschen Lotterie hatte gegen das deutsche Angebot auf der Seite Digibet.com in Person von ihrem Geschäftsführer Gert Albers geklagt und von einem deutschen Gericht Recht bekommen. Digibet und Herr Albers fochten diese Entscheidung beim Bundesgerichtshof an. Der BGH wandte sich hier an den EuGH.

Der EuGH argumentierte, dass das Verbot in Deutschland Glücksspiele zu veranstalten und zu bewerben, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstelle. Diese könnten nur durch Ziele des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein. Zudem stelle eine Regelung, die zeitlich auf weniger als 14 Monate und räumlich auf ein Bundesland begrenzt war, nicht die Ziele der anderen Bundesländer ernsthaft in Frage.

Hier ein paar Reaktionen auf das Urteil:

Mathias Dahms, Präsident des Deutsche Sportwettenverband (DSWV): „Es ist offenkundig, dass die Restriktionen des Staatsvertrags unverhältnismäßig sind. Beispielsweise ist die begrenzte Anzahl der Sportwettlizenzen nicht objektiv zu rechtfertigen. (…) Wir bemühen uns seit Jahren um bundesweite Lizenzen und wollen unseren Teil dazu beitragen, dass in Deutschland endlich ein attraktiver, rechtssicherer und wettbewerbsorientierter Sportwettmarkt entsteht, von dem auch der deutsche Sport profitieren kann. Wir appellieren an die Länder nun den Glücksspielstaatsvertrag nach dem Vorbild des Schleswig-Holsteinischen Modells zu überarbeiten.“

Wolfram Kessler, Vizepräsident des DSWV: „Das Urteil stärkt den Schleswig-Holsteinischen Sonderweg. Dessen Koexistenz neben dem Glücksspielstaatsvertrag wurde nun höchstrichterlich bestätigt. Zudem wird die Rechtmäßigkeit der 48 bestehenden Sportwetten- und Casinolizenzen bekräftigt.“

Dirk Quermann, Vizepräsident des DSWV: „Ein Ende dieses intransparenten Verwaltungsverfahrens ist nicht in Sicht. Man muss ernsthaft hinterfragen, ob auf Grundlage des aktuellen Staatsvertrags jemals eine rechtsgültige Lizenz erteilt wird. Daran ändert auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs nichts.“

Maarten Haijer, Generalsekretär der EGBA (European Gaming and Betting Association): „Der Staatsvertrag war für Deutschland ein offensichtlicher Misserfolg. Das Modell Schleswig-Holsteins hat in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt, dass es sowohl den Anbietern als auch den Konsumenten eine zuverlässige und sichere Glücksspielregulierung bieten kann. Die anderen Bundesländer sollten dem Beispiel Schleswig-Holsteins oder den erfolgreichen Regulierungsmodellen anderer EU-Mitgliedstaaten wie Dänemark oder Spanien folgen, wie es auch die Niederlande bereits getan haben. (…) Die zweijährige Frist, die Deutschland von der Kommission zum Nachweis der Durchführbarkeit des Staatsvertrags und der Übereinstimmung mit geltendem EU-Recht eingeräumt wurde, läuft in weniger als einem Monat aus. Da bislang keine Lizenzen zur Veranstaltung von Sportwetten erteilt wurden, ist es offenkundig, dass dies auch bis zum Ende der Frist nicht gelingen wird. Wir fordern die Kommission daher dringend zur Durchsetzung des EU-Rechts in Deutschland sowie zur Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland wegen der Verstöße gegen EU-Recht auf.“

Karin Klein, bwin.party Director Regulatory Affairs: „Der EuGH hat heute bestätigt, dass das erfolgreiche Lizenzmodell in Schleswig-Holstein und der bisher für die Sportwette nicht umgesetzte Glücksspielstaatvertrag nebeneinander bestehen können. Grundsätzlich leidet der Glücksspielstaatsvertrag unter einer Vielzahl europarechtlicher Mängel, die bereits von der Europäischen Kommission scharf kritisiert wurden. Zum aktuellen Glücksspielstaatsvertrag per se hat sich der EuGH nicht explizit geäußert, da dies nicht Gegenstand der Vorlagenfragen war. Mit diesen Fragen wird er sich in einem weiteren anhängigen Verfahren beschäftigen. Das Urteil hierzu wird im Laufe des Jahres 2015 erwartet.“